Schöne Zeit


von Anita Kanke

Hallo. Ich bin Anita. Zurzeit studiere ich. Nun bin ich schon im 3. Semester. Mich überrascht es immer wieder, wie schnell die Zeit vergehen kann; immerhin leben wir jetzt schon im Jahr 2016, und so vieles, was uns wie gestern vorkommt, ist jetzt schon so lange her. In wenigen Jahren sind wir vielleicht auch schon im Pflegeheim. Der Gedanke eines Tages ganz auf das Kurzzeitgedächtnis verzichten zu müssen, kann sicherlich depressiv stimmen. Eine Prognose von Demenz vermutlich noch mehr; für den Betroffenen ebenso wie für die Angehörige. – Dabei, wer sagt eigentlich, dass man ohne Kurzzeitgedächtnis keine schöne Zeit mehr verbringen kann?

Zeit in einem Pflegeheim mit ausschließlich dementiell veränderten Bewohnern zu verbringen, kann viel lustiger sein, als man meinen könnte. Die Erfahrung habe ich selbst gemacht.

Bei meinen ersten Besuchen dort, hatte ich jedoch den Eindruck, dass viele Bewohner ihre Zeit nur absitzen, verpflegt werden und mit Beschäftigungstherapien man die Zeit für sie zu füllen sucht. Dabei ist Lebensqualität doch so viel mehr.

In meinem Projekt versuche ich, den Demenzkranken einige  Momente zu schaffen, in denen sie ein besonders gutes Gefühl haben. Dabei experimentiere ich mit der Tätigkeit: Stricken. Die Fähigkeit ist (gerade bei älteren Damen)noch tief im Langzeitgedächtnis verhaftet.

Paradoxerweise, erwiesen sich die Bewohner an dem Tag, an dem die erste Stricksession geplant war, als sehr beschäftigt: Erst Gedächtnistraining, dann Kaffee und Kuchen, kurz freie Zeit, Tuchschwingen mit Ball, wieder wenige Minuten Zeit bis zum gemeinsamen adventlichen Singen und schließlich das Abendessen.

Damen zu finden, die mit mir stricken würden, war nicht schwer. Gleich nach dem Gedächtnistraining holte ich mein vorbereitetes Strick- und Häkelzeug hervor. Nun durfte ich mir erst einmal anhören, welche Wolle besonders gut sei und wie schlecht mich die Verkäuferin angesichts solcher Stricknadeln wohl beraten hätte. Dabei schlug man schon die ersten Maschen an und so wechselte sich das Gesprächsthema schon bald auf Pullover, die damals in Faden zerlegt wurden, um anständige Neue daraus zu stricken – auf Geld das aufgespart wurde, bis man sich den neuen Wollknäuel leisten konnte, … . Aber da wurden wir auch schon zum Tuchschwingen eingeladen. Also musste das Stricken pausieren. Bevor das Singen begann, wagte ich wieder einen Versuch zu stricken und hoffte, so auch zu animieren. Tatsächlich nahm die eine Dame wieder Nadeln und einen begonnen Strickteil in die Hand, zwar nicht ihren eigenen, aber das war ihr sicherlich selbst gar nicht so bewusst und so wurde munter am fremden Teil weitergestrickt. Währenddessen mühte ich mich ab, Maschen aufzuziehen, um das erste Mal nach vielen Jahren wieder zu stricken. Das sah eine andere und so wurde mir schnell Hilfe angeboten. Den Beginn machte sie. Beim Beobachten erinnerte ich mich bald wieder an grundlegende Techniken und so wurde bald schon abwechselnd gestrickt, auch während des Singens.

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