von Katharina Timmermann
Unzählige Bücher geben detaillierte Informationen über die Erkrankung Demenz, doch eine allgemeine Form existiert nicht. Um herauszufinden, wie sich die Krankheit individuell äußert, habe ich mit Frau T. eine sehr nette Dame gefunden, die jede Woche mit mir gemeinsam ein paar Stunden Zeit verbringt.
Ein kooperativer Sozialarbeiter des Marienheims teilte mir Frau T. zu, die sich in den Anfängen der Krankheit befindet. Vor unserem ersten Aufeinandertreffen bekam ich Einblick in ihre Biografieunterlagen. Ihre Familiensituation, wichtige Lebensereignisse, der beruflicher Weg und ihre Vorlieben lagen – im Einverständnis mit den Angehörigen – offen vor mir ohne bisher einen persönlichen Eindruck von der Person zu haben. Dieses Gefühl war zunächst sehr befremdlich.
Dann kam der Tag des ersten Zusammentreffens. Neugierig und leicht nervös betrat ich ihr Zimmer. Wie würde sie auf mich reagieren? Wie würde ich mich bei unserer ersten Begegnung verhalten und unsere Kommunikation verlaufen?
Frau T. saß dort, am Fenster im hinteren Ende ihres Zimmers, ihren Blick nach draußen gerichtet. Auf ihrem Schoß saßen zwei Stofftiere – ein Hase und ein Elch. Zunächst benahmen wir uns beide etwas zurückhaltend und ich berichtete wer ich bin und woher ich komme und sie hörte mir interessiert und aufmerksam zu. Ziemlich schnell wendete sich das Gespräch und wir unterhielten uns über ihre Stofftiere, die immer wieder von ihr personifiziert, einbezogen und angesprochen wurden. Zeitweise drifteten wir ab in ihre Vergangenheit, die von ihr durch positive Erlebnisse ausgemalt wurden und wieder zurück in das Hier und Jetzt.
„Ich hasse die Stille…“ klagte sie bedauerlich und eine erneute Kontaktaufnahme zu ihrem favorisierten Stofftier Ferdinand geschah. Sie wirkte traurig und allein, verlässt ihr Zimmer nur sehr selten und verbringt den größten Teil ihrer Zeit in ihrem Zimmer mit den Stofftieren.
Frau T. meidet und verweigert jegliche Integration in das bunte Leben und die Aktivitäten im Marienheim, die täglich mehrmals stattfinden. Sie ist am liebsten alleine auf ihrem Zimmer und auch mit mir wollte sie nicht spazieren gehen. Auch nicht über die Flure im Heim.
Es gab nur selten Situationen, in denen ich ihre Demenz wirklich bemerkte. Ich hatte mir vorher einige Fragen zu ihren Erfahrungen mit der Erkrankung notiert, diese zu stellen war jedoch zwecklos, da Frau T. nicht wirklich bewusst ist, dass sie an Demenz leidet.
Aus den Treffen mit Frau T. entwickelte ich neue Ziele mit meinem Projekt, um individuell die Lebensqualität dieser Dame zu steigern. Ausgehend von der Problematik der selbstbestimmten Isolation versuche ich nun durch Anregungen die Dame zu motivieren, das Gefühl der Einsamkeit und Stille zu vermindern. Meine sind Ferdinand und Co., denn diese „Stofftiere“ könnten neuen Antrieb in ihr zu wecken.
Ich bin sehr gespannt, wie sich das Projekt in den nächsten Treffen entwickeln wird.